Das Hotel ist mit 15 Reales relativ preiswert, jedoch stimmt das Verhältnis zur gebotenen Leistung mal wieder überhaupt nicht. Am zweiten Tag fallen die Toiletten aus, was bei den Temperaturen kein Vergnügen ist. Das einzige Fenster, dessen Holzflügeltüren sich nur unter Anwendung schwerster Gewalt öffnen lassen, gibt den Blick in einen grob gemauerten Schacht frei, dessen Wände moosgrün und schimmelig vor Feuchtigkeit glänzen. Die Sonne ist hier ein seltener Gast. Die Luftzirkulation ist gleich Null und eine der zum Hotel gehörenden bunten alten Schwestern bringt zum Glück einen Ventilator, dessen Schutzgitter allerdings fehlt und der dadurch mit Argwohn entgegengenommen und mit Vorsicht eingesteckt wird.
Überleben ist alles.
Wir brauchen eine neue Kette für die Yamaha und einen Vorderreifen für Heiko. Meinen Vorderreifen wechseln wir im Hotelinnenhof, der schmal nach vorne verläuft und in einer schmalen Tür nach draußen auf die Hauptstraße Siebenter September endet. Durch den müssen wir immer raus und rein mit den Motorrädern, wie Bienen durch den schmalen Schlitz in ihren Stock ein- und ausfliegen.
Die Motoren klingen in dem schmalen Gang immer wie Traktoren und die Wände stehen kurz vor dem Zusammenbrechen.
Bremsencheck im Hotelinnenhof + Grauslige Bilder auf den Zigarettenpackungen in Brasilien
Ich treffe bei Yamaha Andre und Adair, die dort auch Kunden sind und mir zum Glück mit gutem Englisch aushelfen. Andre fährt einen 250-er Klassiker und Adair eine 125-er Enduro fürs Gelände. Meine 750-er fällt ziemlich auf, da hier großmotorige Bikes nicht so verbreitet sind.
Ich erkläre den beiden, daß ich hier eine neue Kette kaufen will. Ich bin vielleicht fünf Minuten mit den beiden am Reden, als mein Motorrad plötzlich nicht mehr da steht.
Sofort frage ich besorgt einen der herumstehenden Leute und der deutet nach drinnen in die Werkstadt. Ich sprinte hinein und da steht mein Bike bereits gestrippt und das hintere Radlager demontiert auf einer Hebebühne. Ich bekomme sofort einen Schreck, der Monteur hat mich offensichtlich falsch verstanden. Nachdem Andre mir aushilft ist jedoch das Problem gefunden und das Bike wieder zusammen gebaut.
In den nächsten Tagen lernen wir viele ihrer Freunde kennen und organisieren ein Churasco, was der heimische Grillnachmittag ist. Vorher haben wir noch einen Erlebnis-Lebensmittel-Einkauf mit Leo, einen der verrücktesten Brasilianer die ich kenne. Der Abend verhilft uns zu sehr vielen schönen Stories aus den alten Pionierzeiten im Amazonasgebiet. So erzählt uns Andre von einem alten Märchen, welches die Indianer von Generation zu Generation weitergeben. Es gibt hier im Amazonasgebiet eine Art Krokodile, die locker sechs Meter lang werden können. Nun gab es eines, das schwamm unter die Digoutboote der Einheimischen und schlug während der Bewegung mit dem kräftigen Schwanz gegen das Boot, so daß der Insasse ins Wasser fiel und leichte Beute für das riesige Tier wurde. Ein alter Indio der mit seinem Boot abends draußen auf dem großen Fluß fuhr, hörte ein ungewöhnliches Geräusch hinter sich im Wasser, drehte sich nach hinten um und sah die riesigen Augen des noch riesigeren Kopfes knapp hinter seinem Boot im Wasser. Er nahm sein Gewehr und feuerte mehrmals auf den Kopf des Tieres, welches daraufhin tot davon trieb. Daheim bei der Feuerstelle seines Stammes angekommen erzählte er voller Freude und Stolz seine Geschichte. Allerdings wollten ihm seine Leute die angezeigte Größe des Tieres nicht so recht glauben, so daß der Mann, in seiner Ehre gekränkt loszog das tote Tier zu suchen. Er folgte dem natürlichen Flußlauf und nach langem suchen fand er den mächtigen Körper des verendeten Tieres in dem Rückstaugebiet einer langgestreckten Kurve. Hier am Amazonas benutzen die Indios ein langes großes Messer, welches sehr sehr scharf ist und mit eben solch einem Messer trennte der Mann unter großer Anstrengung dem Tier seinen riesigen Kopf ab. Natürlich war er in seinem Stamm sofort rehabilitiert und alle staunten, als der Kopf des mächtigen Tieres auf dem im Schneidersitz da sitzenden Mannes, links und rechts noch etwa 30 cm über seine Beine drüber hinaus ragte.
Der verückte Leo mit Fleisch am Spieß + Ein Makak, der immer nach meiner Kamera greifen will
Die Zuhörer staunen und Andre erzählt amüsiert weiter.
Ein guter Freund von Andres Vater geht seit vielen Jahren in einem etwas entfernter gelegenen großen See mit Harpune fischen. Auf Grund seiner geübten Lunge hält diese auch eine Kapazität für etwa 3-4 Minuten Tauchen. Gerade beim Tauchen nach einem Fisch fühlt der Mann die mächtigen Hauer eines Krokodiles im Nacken. Er bekommt Angst und große Panik macht sich im Kopf breit, doch er bewegt sich nicht. Bewegen bedeutet sterben. Die kleinste Bewegung veranlaßt die Tiere sich zu drehen und große Stücken aus den Körpern ihrer Opfer zu reißen. Nachdem sie tot sind taucht das Krokodil zum Grund hinab und schiebt den toten leblosen Körper in den Schlamm oder zwischen die Wassergräser im Unterholz. Dort fängt er an zu verrotten, bis das Tier hungrig wiederkommt und sich an dem nun in zwischen weichen Fleisch gütlich tut. Als der Mann nun merkt wie auf dem Weg zum Grund des Sees seine Luft knapp wird, dreht er seine Harpune vorsichtig herum und schießt dem Tier unter seinem eigenen Arm hindurch tödlich in den Bauch. Das Tier öffnet in dem Moment wo es getroffen wird sein Maul kurz und der Mann entweicht an die Wasseroberfläche. Dort angekommen, mit stark blutenden Wunden an Kopf, Nacken und Rücken ist er umringt von weiteren zwanzig, dreißig hungrigen und sich langsam nähernden Krokodilen. Sein Freund, der immer im Boot wartet wenn er taucht, ist allerdings sofort zur Stelle und fischt ihn aus dem Wasser und damit aus der Reichweite der gefräßigen Tiere. Der Mann wurde mit über 250 Stichen genäht.
Ich bin begeistert, klasse Geschichte. Ich frage, ob der Mann denn weiterhin taucht oder von nun an ins Fischgeschäft geht?
Eine andere Geschichte zeugt von zwei Brüdern, die immer gemeinsam zum Fischen hinaus gingen und von denen der eine zusehen mußte, wie sein eigener Bruder von einem Krokodil geschnappt, an Land geschleppt und Stück für Stück gefressen wurde. Ihm blieb nichts weiter übrig, als tatenlos zuzusehen.
Nach dieser Geschichte trinke ich erstmal einen Riesenschluck Cachaça. Das Bier kann man hier übrigens auch auf eine schöne Art zu sich nehmen. Man stochert mit dem Messer Löcher in den Boden einer Bier-Büchse und streut grobes Salz in die Höhlung der Büchse, dann quetscht man eine halbe Limone über das grobe Salz. Nun sticht man mit der Messerspitze eine etwas größere Öffnung in den Rand der Büchse um daraus zu trinken. Die Limone, die über die Löcher mit dem gelösten Salz in die Büchse verschwindet, gibt dem Bier eine herrliche frische und salzige Note. Bei dem Schweiß den man hier läßt, eine gute Art und Weise dem Körper wieder Salz zuzuführen.
Der Schreck hat gesessen, als eine giftige Schlage direkt am Weg auftaucht
Wir werden überall in der gerade mal 80 Jahre alten Stadt herumgeführt, die ihre Hochzeit dem Gummi verdankt. Über die Eisenbahnlinie, die hier damals gebaut wurde und über 25.000 Todesopfer beim Bau forderte, teils durch Krankheiten wie Malaria und Denguefieber oder durch wilde Tiere, gibt es ein interessantes Museum. Sie hat eine etwa 350 km lange Strecke und führt vom Ufer direkt in den dichten Regenwald. Der Kautschuk oder auch Latex konnte also direkt auf die großen Schiffe verladen werden. Die wirklich schönen Fotos mache ich aber auf einem Spaziergang in den Dschungel, wo wir vorbei an einem alten Lokomotivfriedhof zu einer Ruhestädte der zahllosen Opfer von damals laufen.
Berliner Lok von 1936. Der Bau der inzwischen stillgelegten Eisenbahnstrecke forderte über 25.000 Tote.
Der ebenfalls im Dschungel gelegene Zoo beherbergt sogar ein altes Löwenpärchen, was einem Wanderzirkus weggenommen wurde, weil die kein Geld für Futter hatten. Allerdings läßt sich darüber streiten, ob dadurch irgend jemandem geholfen wurde, da die Löwen hier ein armseliges Dasein fristen. Ausgehungert und apatisch liegt der König der Tiere in der Mitte eines fünf mal fünf Meter Käfigs und siecht so langsam dahin. Auch ein großer ausgewachsener zwei Jahre alter Leopard, der einem Privatmann weggenommen werden sollte, und der wiederum das Tier schnell vorher an den Zoo abgab, um der angedrohten Strafe zu entgehen.
Spaziergang im Wildpark: Adair, Isabele, Andres Frau und Daiane
Der Löwe fristet ein trostloses Dasein im Zoo von Porto Velho
Eines der ältesten und ersten Häuser in Porto Velho können wir nur mit sehr viel Glück fotografieren, da es in Privatbesitz ist und Adair mit seiner Schwester Daiane den Besitzer überreden, uns hereinzulassen.
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fallen auf eine Kirche in Porto Velho
Eines der ersten Häuser von Porto Velho
Am Abend sitzen wir mit den anderen in der Einfahrt zum Haus eines Nachbarfreundes und trinken kalten Matetee der hier Tenere genannt wird und es heißt mal wieder Abschied nehmen. Porto Velho und damit die hübsche Schwester von Adair, Daiane, zu verlassen fällt mir besonders schwer.
Die hübschen Brasilianerinnen beim Churasco
Daiane, die schönste Frau Brasiliens
Eine schöne Zeit in einer schönen Stadt mitten im Amazonasgebiet geht zu Ende und ich bin mir sicher ich kehre irgendwann hierher zurück.
Wir brechen auf nach Bolivien.