Lebeha

< Barbachan

Hopkins/Belize

Am Western Highway warnt das Schild einer Versicherungsgesellschaft mit einem Unfall-Beispiel aus dem Jahre 2003 vor Verkehrsunfällen, sechs Tote und neun Verletzte. Um der ganzen Sache noch Nachdruck zu verleihen, hat man das Unfallfahrzeug kurzerhand obendrüber angebracht.

Warntafel

Wir wechseln zum Coastal Highway und stellen nach wenigen Kilometern fest, daß wir uns mit dieser Abkürzung nicht wirklich einen Gefallen getan haben. Die Strecke ist nur ca. zwanzig Kilometer kürzer als der Hummingbird (Kolibri) Highway über Belmopan, dafür aber nicht asphaltiert und stellenweise mit 20 cm tiefen und mehrere hundert Meter langen Sandbrettern gespickt. Die Fahrerei bei 55 °C wird mal wieder zur schweißtreibenden Qual. Die Nerven liegen blank. Mensch und Material werden bis an die Belastungsgrenze beansprucht. Und oft genug sind wir nur wenig entfernt von einem Sturz. Mit heftigen Schlenkern graben sich die überhitzten Maschinen Stück für Stück durch den tiefen Sand des Sibun Forest Reserve. Endlich wird der Boden wieder fester.

Eine schöne alte, aber stabile Holzbrücke geleitet uns sicher über den Mahogany Creek.

Holzbrücke

Ein alter Fire Lookout Tower (Feuerwachturm), der in unserer, nicht unbedingt sehr detailgetreuen Straßenkarte eingezeichnet ist, kündigt das baldige Ende der Tortur an. Und dann endlich, wenige Kilometer weiter sehen wir die Kreuzung des Hummingbird Highway.

Wir fahren nach Dangriga hinein und genehmigen uns ein paar Hotdogs mit der in der Gegend berühmten Marie Sharp’s Hot Sauce. Dann geht es weiter nach Hopkins, wo wir bei karibischen Klängen und azurblauem Wasser Yvonnes letzten Küstenaufenthalt zelebrieren wollen.

Bato der Drummer und Head Instructor trommelt im Drumming Studio in Hopkins. Jabbar, ebenfalls begnadeter Drummer, ist geboren und aufgewachsen in Hopkins und leitet mit seiner Frau das Studio. Er spielte in den frühen Achtzigern in einer Drumband traditionelle Garifuna-Musik, sogenannten Punta-Rock. 1992 eröffnete er »Lebeha«, was soviel bedeutet wie »Das Ende vom Dorf«. Hopkins erste und orginale Punta-Bar. Lebeha war ein Inkubator für junge Musiker im Dorf. 2003 folgte im Orginalhaus der ersten Punta-Bar das Drumming Center.

Wir treffen die Freunde und Musiker, als wir nach einer geeigneten Unterkunft suchen. Jabbar und seine Frau vermieten ebenfalls eine kleine Cabania, die wir, bei vorteilhaftem Preis, natürlich sofort beziehen.

Der einsetzende Regen, über den sich die Einheimischen nach drei Monaten Trockenheit, ausnahmslos freuen, kann uns nur wenig stören. Wir genießen die Garifuna-Küche und den lokalen karibischen Rum und treffen Touristen aus aller Welt, die zum gemeinsamen Musizieren kommen.

Bato, der seine Musikerkarriere schon 1960 in Belice City begann, wo er mit dem Bob Reneau Dance Studio spielte, ist auf dem New Orleans Jazz Festival 1975 aufgetreten und hat im selben Jahr für Queen Elizabeth im Buckingham Palace gespielt. Nach langen Reisen durch Europa, Asien und Amerika lehrt er jetzt die jungen Nachwuchsdrummer in Hopkins und zeigt ihnen gleichzeitig wie die Instrumente gebaut werden.

Bato

Zu großen Anlässen spielt er Tempelmusik in größeren Maya-Tempeln und schwärmt von den riesigen alten und klangvollen Trommeln im Tempel. Aus schwerem Mahagoniholz, hängen sie ganz oben im Tempelturm. Er gerät in Verzückung, als er mir erklärt, hat man einmal angefangen auf den alten Drums zu spielen, verfällt man in eine Art Trance und kann manchmal erst wieder aufhören, wenn der eigene Körper anfängt zu erschlaffen und man den Rhythmus nicht mehr halten kann.

Bato zeigt, wie er eine seiner Shakkas baut. Aus einem noch grünen Flaschenkürbis, den er gekonnt aushöhlt, baut er den Grundkörper, der noch abgeschabt und in der Sonne getrocknet wird. Zwei Hände voll gesammelter und getrockneter Samen füllen diesen dann.

Der Abend gestaltet sich recht turbulent. Nach und nach füllt sich die Hütte mit einigen Interessierten zum Trommeln. Der immer noch anhaltende Regen tut all dem Musizieren keinen Abbruch.

Ras Focus, ein T-Shirt-Maler und Grafitti-Künstler aus Dangriga bedruckt einige T-Shirts mit dem für Belice typischen Symbolvogel, dem Tukan. Auch Ras Focus ist viel gereist und traf unter anderen den Savuka-Sänger und Tänzer Jhony Klegg in Südafrika.

Ras Focus

Er trägt eine große runde Sonnenbrille aus Jamaika die aussieht, als ob sie schon sehr viel gesehen hat. Kein Geringerer als der berühmten Reggae-Sänger Peter Tosh schenkte sie ihm persönlich.

Die Musik klingt an diesem Abend bis spät in die Nacht und viele der Jungs beteiligen sich am Trommeln oder spielen die Shakkas (Rasseln). Die Turtledrums, eine aus drei Schildkrötenpanzern bestehende Trommel, wird mit Schlaghölzern gespielt und die Klänge, die manch Trommler ihr entlockt, sind genial trocken und hohl. Kenny, der 21-jährige Afroschopf,

Kenny

bläst auf einer Königsmuschel und der noch recht junge Warren Martinez versucht dem Rhythmus von Bato, als zweite Haupttrommel, standzuhalten. »Er ist wirklich sehr gut«, meint Bato später zu mir »und er versucht mich in vielen Situationen zu überbieten. Genau dadurch aber lernt er die unglaubliche Vielfalt des Trommelns am allerbesten.«

Warren Martinez und Bato

Mit einigen der jungen Nachwuchskünstler wie Warren, hat Jabar jetzt eine CD aufgenommen, die ich in der Rohfassung schon hören konnte und auf die die Jungs mächtig stolz sind.

Wir genießen unsere Zeit hier im Dorf und lernen viel über die Kultur der freundlichen Menschen.

Einige Jungs kommen an einem Vormittag mit einem Leguan in einem Leinensack an und fragen ob ich ihn kaufen möchte. Zuerst verneine ich, da ich zunächst nicht wußte, was ich wohl mit einem Leguan anfangen soll. Als aber Jabbar, der unsere Unterhaltung mit anhörte, einwirft, wir müßten unbedingt Leguan essen, kaufen wir das Tier doch. Die Jungs fangen die Tiere, die in den Bäumen ringsumher leben und hier recht zahlreich vorkommen, mit Katapulten oder Schleudern und verkaufen sie dann um sich ein bißchen Geld zu verdienen. Die Eier eines Leguanweibchens und wir hatten glücklicher Weise eines, sind sehr schmackhaft und gelten als Delikatesse. Jabbar erklärt sich bereit, den Leguan zu zubereiten und ich freu mich auf ein weiteres Rezept meines stetig wachsenden Panamericanakochbuches.

Leguan

Matias, ein guter Freund von Jabbar und Fisherman fährt uns mit seinem kleinen Fischerboot zu den karibischen Inseln hinüber. Die Inseln, die sich etwa zehn Kilometer vom Festland entfernt wie eine Perlenkette an der ganzen Küste entlang erstrecken, sind bis auf eine kleine, alle in privater Hand. Diese kleine Insel, die wir schon von weitem sehen und die wir dann auch ansteuern, wird von den einheimischen Fischern als Anlaufpunkt genutzt um die ganze Nacht zum Fischen zu fahren.

Kleine Insel

Es gibt einen kleinen Bretterverschlag, wo Fischereiutensilien, Regenwasser zum trinken, Reservebenzin und andere nützliche Sachen gelagert werden. Dahinter, ein wenig im Schatten, ist eine kleine Feuerstelle und auf der anderen Seite der Insel ein kleiner wackeliger Steg, an dessen Ende sich ein genauso wackeliges Plumsklo befindet.

Plumpsklo

Die ganze Insel mißt vielleicht fünfzig Meter im Durchmesser und zur benachbarten Insel schwimmt man etwa hundert Meter. Wir fahren mit dem Boot von Matias langsam um die Inseln und fangen dabei einige Fische. An einer großen runden Palmendachhütte auf Stelzen will Focus aussteigen und hineingehen. In der Hütte, aus der uns einige junge Mexikaner entgegenkommen, ist eine Bar untergebracht. Es ist gerade ziemlich ruhig und so können wir uns ein wenig umsehen.

Jabbar & Focus

Focus hat hier vor zwei Jahren gearbeitet und zeigt uns nun seine ganzen Arbeiten an den Wänden. Wirklich schöne Bilder, alle in Öl und jedes zeigt seine unverkennbare Verbundenheit mit Himmel und Erde und den kreuchenden und fleuchenden Kreaturen unseres Planeten. Wir steigen zurück ins Boot und als wir gerade zum Schnorcheln aufbrechen und rund um die Insel schwimmen, treffen wir Antoni, einen guten Freund von Jabbar und Matias dem Fischer. Antoni wird von allen der King genannt und ist ebenfalls Fischer. Er kommt mit seinem Einbaumboot, eines von den kleinen, sehr weit verbreiteten Holzstammbooten, die aus einem einzigen Stamm gefertigt werden und deswegen »Digouts« genannt werden. Er ist auf der Suche nach Congs, den großen Muscheln, deren leere Muschelhäuser an den Stränden der Inseln zu Tausenden herumliegen.

Congs

Die Cong-Suppe ist ebenfalls eine Delikatesse und fester Bestandteil der garifunischen Küche. Antoni meint im Scherz, wenn wir mehr als sieben große Congs finden, dann würde er für uns eine jener Suppen kochen. Wir erfahren, das er seine eigene Insel besitzt und da auch lebt. Angespornt durch dieses Angebot finden wir am Ende mehr Muscheln als wir für die Suppe benötigen.

Muschelfang

Seine Insel liegt unweit neben der kleinen Fischerinsel und wir fahren hinüber um alles zum Essen vorzubereiten. Mit geübten Handgriffen und einem kleinen Hammer, schlägt Martin an der richtigen Stelle ein Loch in die Muscheln und zerschneidet mit einem langen Messer den sehr starken Hauptmuskel. Dann zieht er das zuckende Muschelfleisch heraus und schneidet die Innereien und den recht langen Fußzeh ab, mit dem sich die Congs durch den Sand am Meeresboden ziehen.

Muschelfleisch

Wenn ich die zum Teil recht beachtlichen Muscheln sehe, dann ist das was am Ende zum Essen übrig bleibt nicht gerade viel. Antoni klopft das Muschelfleisch auf einem Stein mit dem Hammer weich, um es dann später in der Suppe recht zart zu bekommen.

Weichklopfen

Die geangelten Fische nehmen wir auch an Ort und Stelle aus, um zu der Suppe noch das nötige Beiwerk zu haben.

Yvonne beim Fischeausnehmen

Die Suppe wird noch mit Platinas, einer besonderen Bananenart, welche sich nicht zum roh essen eignet und ebenfalls fester Bestandteil der lokalen Küche ist, versehen.

Suppenzutaten

Sie ist fantastisch und wird von uns, zusammen mit dem Reis, restlos aufgegessen. Auf der Rückfahrt ist jeder recht fertig. Alle freuen sich auf einen angenehmen und tiefen Schlaf und die untergehende Sonne zeigt uns an, das auch dieser Tag, der allen in ewiger Erinnerung bleiben wird, langsam anfängt in die Geschichte einzugehen.

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