Die Ausreise aus Bolivien hat wieder einmal starke Nerven gekostet. Vor genau 46 Tagen, bei der Einreise von Brasilien nach Bolivien haben wir wie immer darauf geachtet, für 90 Tage Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Die wurde uns auch, laut internationalem Länderabkommen in die Reisepässe gestempelt. Daß man uns jedoch für die Motorräder nur 30 Tage bewilligte und diese auch in die Fahrzeugpapiere, die von jedem Land an der Grenze neu ausgestellt werden, eintrug, hat keiner von uns wahr genommen.
So stehen wir in 3.800 Metern Höhe am Grenzübergang wie vor den Kopf geschlagen da und die Motorräder haben den Aufenthalt um genau 16 Tage überschritten. Der einzige Grenzbeamte des ohnehin durch seine Abgeschiedenheit wenig frequentierten Grenzüberganges ist völlig überfordert.
Sein Zetern und seine Gebärden halte ich anfangs noch für schnödes Geschäftsgebaren. Ist doch ein Tourist, welcher sich einen solchen Fehler unterschieben läßt normalerweise ein gefundenes Fressen für korrupte Beamte. Jedoch sollte sich nach einer halben Stunde in der erst einmal gar nichts passierte herausstellen, daß die ganze Sache für ihn ein echtes Problem darstellte. Er wußte weder aus noch ein. Aus lauter Verzweiflung meinte er wir müßten wohl die 600 km nach Orure zurückfahren um das auf dem Zollamt zu klären.
Als wir ihm klar machten, daß das für uns auf keinen Fall in Frage kommt und wir für die Durchquerung des sandigen, steinigen Wüstengebietes allein sechs Tage gebraucht haben, raufte er sich die Haare und war vollends am Boden zerstört. Er erklärte uns, welche Probleme auf ihn zu kommen würden wenn er uns diese Papiere abstempelt.
Wir erklären ihm darauf hin, daß wir auch bereit wären völlig ohne Stempel auszureisen, er uns also praktisch nie zu Gesicht bekommen hat.
Zehn Minuten später öffnet er lächelnd und erleichtert den Schlagbaum und verabschiedet uns mit Händedruck. Froh über so viel Glück und ohne Schmiergeld zu zahlen fahren wir aus Bolivien hinaus und dem sechs Kilometer entfernten chilenischen Übergang Ollagüe entgegen. Dort geht alles reibungslos und wir übernachten im nächsten Dorf bei einem alten Ehepaar.
Die Fahrt geht jetzt durch einen Teil der Erde, den ich wohl als einen der schönsten, wenn auch gleichermaßen als den abgeschiedensten und einsamsten bezeichnen würde. Wir durchqueren für etwa 230 km hunderte von kleinen teilweise ausgetrockneten Salzseen, Lavagebiete und unzählige Stein- und Geröllfelder und passieren, neben vielen anderen, die Carasillaberge, die Cordillera de Azufre und den Vulkan San Pedro.
Manche Straßen verschwinden einfach in den riesigen trockenen Salzseen/Über der Cordillera Carasilla täuscht die strahlende Sonne über die eisige Kälte hier oben hinweg
Die Salar Carcote zeigt sich uns als Gebiet mit tausenden mineralhaltigen Quellen und kleinen Wasserbecken von wundersamer und vielschichtiger Farbgebung in denen sich die schneebedeckten Berggipfel und das herrlich klare Blau des wolkenlosen Himmel wiederspiegeln.
Bahngleise führen schnurgerade durch die Salar Carcote
Die Salar Carcote mit tausenden Farben und unendlicher Weite
Das Schönste allerdings war die Salar de Ascotan, wo ich die längst vergessenen und an der Laguna Poopo so unerreichbaren Flamingos fotografieren konnte wie sie gemächlich ihre gebogenen Schnäbel durch das seichte Wasser hin und her schwenken und dabei, ähnlich wie der Bartenwal, kleinste Organismen und Mikroben herausfiltern.
Flamingos in der Salar Ascota. auf dem Altiplano in 4.200 m Altitude
Ich schleich mich leise heran und verstecke mich hinter trockenen gelben Grasbüscheln am Ufer. Der starke Wind und die Eiseskälte lassen uns jedoch bald weiterfahren und wir erreichen seit vielen Tagen und tausenden Kilometern mal wieder ein Stück Asphalt. Welch ein Segen. Ohne angespante Konzentration fahren. Ohne Staub, ohne rüttelnde Waschbretter und ohne gefährlich tiefe Sandabschnitte. Man kann sogar mal wieder nach rechts und links schauen.
In einer Mineralquelle der Salar Carcote spiegeln sich die Berge der Cordillera Cnela/Flamingo
Die Freude währt allerdings nur kurz, denn schnell setzt die Gewöhnung daran ein und die unendliche Straße wird sehr bald eintönig und langweilig. Nun muß ich gegen eine gewisse Schläfrigkeit ankämpfen, die sich auf diesen oftmals für fünfzig Kilometer ohne eine einzige Kurve verlaufenden Straßen Chiles breit macht.
Auf manchen Straßen ist die Staubfahne bis zu 15 m hoch. Wir fahren mit einigen Kilometern Abstand.
In Calama übernachten wir und fahren am nächsten Tag weiter nach San Pedro de Atacama, einem kleinen Ort der sich voll und ganz dem Tourismus verschrieben hat. Wem danach ist, der kann hier Reiten, Wandern und allerlei Ausflüge in die entfernte und nähere Umgebung der staubigen Atacama-Wüste unternehmen. Uns war nicht danach. Die südliche Atacama ist eines der trockensten und lebensfeindlichsten Gebiete der Erde. Aus diesen Gründen stehen auch die vier größten Spiegelteleskope der Welt in diesem Gebiet. Die Höhe von viertausend Metern und die ganzjährig geringe Niederschlagsmenge (fast nie Wolken) lassen diesen Ort zum idealen Beobachtungspunkt nicht nur für die NASA werden.
Faszinierende Stille in unendlicher Weite, unvergeßliche Eindrücke, die Welt ist einzigartig