Der kleine Ort ist 1964 durch die Flutung des Tales entstanden und nicht unbedingt spektakulär oder erwähnenswert. Wenn da nicht Thomas und Ellen mit ihrer Bäckerei wären. Mit der Errichtung des Staudammes kurz vor dem schrecklichen Touristenort Fortuna entstand Nuevo Arenal. Das alte Arenal versank in den Fluten des, durch über 600 Zuflüsse langsam entstehenden, Lago Arenal.
Der Ruf der deutschen Bäckerei erreicht uns das erste mal per E-Mail von Katja und Martin, welche da halt gemacht hatten und sich Tips zum Zelten am See und für Vulkanbesuche geben liesen. Das war gerade in der Nähe von Liberia, wo ein anderer deutscher Bäcker (Hans) seine Großbäckerei hat. Die beiden arbeiteten, bevor sie 1997 ihre eigene Bäckerei gründeten, hier bei Hans, um Erfahrungen zu sammeln.
Hans, der eine wirkliche Großbäckerei betreibt und etwa 400 Kunden zählt, hat gerade alle Hände voll zu tun mit seiner hochschwangeren Frau und seiner Baustelle. Er lud uns sehr freundlich auf einen warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis und Kaffee ein und wir erfuhren, wie bei ihm alles anfing. Nach einem Rundgang durch die Bäckerei verabschiedeten wir uns und fuhren in Richtung aktivem Vulkan, dem Rincon de la Vieja.
Die neun Stunden Wanderung zum Gipfelkrater waren mehr als anstrengend, doch ein überwältigender Ausblick und schöne Fotos vom toxisch gasenden Kratersee entschädigten für so einiges. Der Rückweg war steil und schwierig. Jürgens alte Kriegsverletzung machte ihm wieder zu schaffen, so daß wir nur langsam voran kamen. Eine geschnitzte Krücke half ihm jedoch. Als wir am nächsten Tag nach einer zweistündigen Schlammschlacht auf einem Waldweg, in einer heißen Quelle saßen, waren die Strapazen des Vortages vergessen. Das heiße Wasser war so entspannend, das wir die Zeit mal wieder völlig vergaßen.
Am nächsten Tag bei Ellen und Thomas in Arenal gab es ein großes Wiedersehen mit Brenda und Guido, den beiden Holländern, die mit ihrem aufs beste ausgestatteten Toyota Landcruiser unterwegs sind und die wir das erste Mal in Palenque (Mexiko) trafen. So standen nun drei Geländewagen und zwei bepackte Motorräder vor der Bäckerei. Welch schöner Anblick!
Brenda und Guido machten sich am nächsten Tag wieder auf die Socken, während wir mit Jürgen und Oliver noch einen Arbeitseinsatz schoben und Zaunspfähle eingruben. Dann kam das Angebot von Ellen, eine Weile zu bleiben und beim Umbau des gerade neu erworbenen Nachbargrundstücks zum Souvenirshop zu helfen.
Nach langen Überlegungen entschieden wir uns dafür. Verdienen wir doch ein bißchen Geld und können uns so Südamerika finanzieren. Der Nachteil ist leider, das unser Zeitplan dadurch ins Wasser fällt, denn Feuerland um Neujahr herum, das können wir uns natürlich abschminken.
Die Zeit rennt und rennt. Oh Mann wie die Zeit rennt! Was ist heute noch für ein Wochentag? Ich muß nachdenken. Freitag glaube ich, ja genau Freitag, weil heute war ja der Tierarzt von JJ, Shiva, Rex und Junior da. Die vier sind ein richtiges kleines Rudel. Sie sind immer um uns herum, den ganzen lieben langen Tag. Ellen und Thomas stressen sich die ganze Woche mit Ellens Anbau ans Haus und ich baue an meiner Mandelholztür. Heiko hat die letzten Wochen die Elektrik im neuen Souvenirshop verlegt und das Dach ausgebessert. Er war damit so schnell fertig, daß er jetzt schon öfter mal auf eine Zigarette zu mir in die Bodega kommt. Die Bodega ist meine kleine Minischreinerei in der ich werkel und eine schwere vierteilige Stalltür baue. Die unteren zwei Flügel habe ich heute eingesetzt. Es braucht eben alles seine Zeit. Bei Christian, dem Mitarbeiter von Maik, dem einzigen ATV-Veranstalter hier im Ort, hab ich uns gestern zum Bier eingeladen.
Ich kann bei ihm als Tourguide arbeiten, wenn die Gruppen mehr als fünf Personen zählen und nebenbei die Leute auf ihren ATV fotografieren. Danach bekommen sie die Fotos sofort zum Mitnehmen auf CD gebrannt. Hat bisher nur einmal funktioniert, aber ist ja auch gerade Nebensaison.
Jetzt sind wir schon sechs Wochen am arbeiten und so langsam lernen wir alles kennen. Costa Rica ist wunderschön. Der See liegt manchmal wie eine spiegelglatte Scheibe inmitten der Berge, die wiederum eingerahmt sind von herrlichen Wolkenformationen.
Der nur etwa 30 km entfernte Vulkan Arenal bricht regelmäßig aus und bot mir schon mehr als einmal die Möglichkeit zum Fotografieren.
Es ist etwa sechs Uhr abends. Ich sitze im Zimmer und schreibe am Computer, als urplötzlich das ganze Haus wackelt und vibriert. Die Scheiben klappern und alles was auf dem Tisch liegt rollt hin und her. Danach herrscht plötzlich Totenstille. Die Vögel und Insekten, die sonst eine nicht unerhebliche und nie abreißende Geräuschkulisse bilden, sind ganz still. Die Erde bebt. Der ganze Spuk dauert etwa eine Minute und soll sich nach 15 Minuten noch einmal wiederholen. Am nächsten Morgen lesen wir in der Tageszeitung von einem Erdbeben der Stärke 6,7 auf der Richterskala, wobei das Epizentrum vor der Westküste Nikaraguas lag. Ein Naturschauspiel ganz besonderer Art, dem sich nichts und niemand entziehen kann.
Wir sind umgezogen und bewohnen jetzt ein kleines Haus etwa zwei Kilometer von der Bäckerei entfernt. Wir haben einen wunderschönen Ausblick in ein kleines Tal und eine herrliche Terrasse davor. Als erstes habe ich meine Hängematte aufgehangen und am kommenden Freitag gibt es einen kleinen Empfang mit Freunden zur Feier des neuen, vorrübergehenden Heims.
Am Wochenende sind wir meistens mit Thomas dem Bäcker und seinem Boot auf dem See draußen, fahren Wasserski oder baden.